Statik ist ein Teilgebiet der Mechanik und beschäftigt sich mit der Berechnung und Beurteilung von Kräften und Momenten in ruhenden Systemen. Im Bauwesen dient die Statik vor allem der Tragwerksplanung – also der sicheren und wirtschaftlichen Auslegung von Baukonstruktionen wie Decken, Stützen, Trägern oder Fundamenten.
Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie muss ein Bauwerk konstruiert werden, damit es stabil, gebrauchstauglich und dauerhaft ist?
Dazu wird ermittelt, welche Lasten auf das Tragwerk wirken (Eigengewicht, Verkehrslasten, Wind, Schnee etc.) und wie diese durch die Bauteile sicher in den Baugrund abgeleitet werden können.
Ein statisches System gilt als im Gleichgewicht, wenn sich alle angreifenden Kräfte und Momente gegenseitig aufheben. Die Aufgabe des Statikers ist es, dieses Gleichgewicht rechnerisch nachzuweisen – unter Einhaltung geltender Normen, Sicherheitsvorgaben und bautechnischer Anforderungen.
Die Tragwerksberechnung, oft auch als statische Berechnung bezeichnet, ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil jeder Bauplanung – vom Einfamilienhaus bis zur Hochbrücke.

Ziele der Tragwerksberechnung
Die Tragwerksberechnung – also die statische Analyse eines Bauwerks – verfolgt drei übergeordnete Ziele: Sicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Wirtschaftlichkeit. Nur wenn alle drei Aspekte erfüllt sind, gilt ein Tragwerk als normgerecht und praxistauglich.
1. Standsicherheit (Tragfähigkeit)
Das Tragwerk darf unter den zu erwartenden Lasten (z. B. Eigengewicht, Wind, Schnee, Verkehrslasten) nicht versagen. Der Nachweis der Tragfähigkeit ist gesetzlich vorgeschrieben und erfolgt mit entsprechenden Sicherheitsbeiwerten.
2. Gebrauchstauglichkeit
Das Bauwerk muss nutzbar bleiben, ohne übermäßige Verformungen, Risse oder Schwingungen. So darf z. B. eine Decke sich nur minimal durchbiegen oder ein Balkon nicht merklich vibrieren. Auch Kriterien wie Rissbreitenbegrenzung oder Setzungen fallen in diesen Bereich.
3. Dauerhaftigkeit
Das Tragwerk soll über Jahrzehnte hinweg sicher funktionieren – unter Einwirkung von Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen und möglichen Nutzungslasten. Auch Korrosionsschutz, Brandschutz und Frostbeständigkeit sind hier relevante Aspekte.
4. Wirtschaftlichkeit der Konstruktion
Die Statik sorgt nicht nur für Sicherheit, sondern beeinflusst auch die Materialeffizienz und Baukosten. Eine überdimensionierte Decke ist zwar tragfähig, aber unnötig teuer. Die optimale Balance zwischen Sicherheit und Materialeinsatz ist daher ein zentrales Ziel jeder Tragwerksplanung.
Zusammengefasst: Eine durchdachte statische Berechnung stellt sicher, dass ein Bauwerk steht, hält, funktioniert – und das über die gesamte geplante Lebensdauer hinweg.
Rechenverfahren in der Statik
Die Grundlage jeder Tragwerksberechnung ist die mathematische Ermittlung von Kräften und Momenten, die innerhalb eines Bauwerks auftreten. Dabei kommen – je nach Komplexität des Systems – unterschiedliche Rechenverfahren zum Einsatz.
Schnittgrößenberechnung
Um ein statisches System analysieren zu können, werden sogenannte Schnittgrößen ermittelt:
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Normalkraft (N): wirkt axial im Bauteil (z. B. in Stützen)
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Querkraft (Q): verursacht Schubbeanspruchung
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Biegemoment (M): entsteht durch Lasten, die Hebelwirkungen erzeugen (z. B. bei Decken und Trägern)
Diese Größen bilden die Basis für alle weiteren Bemessungsschritte.
Lagerreaktionen und Auflagerkräfte
Für die Standsicherheit entscheidend ist auch die Berechnung von Lagerkräften – also jener Kräfte, die z. B. von Fundamenten oder Stützen in den Baugrund übertragen werden. Dazu muss bekannt sein, wie das System gelagert ist: gelenkig, fest oder verschieblich.
Lineare und nichtlineare Berechnung
Im einfachsten Fall wird die lineare Elastizitätstheorie verwendet – dabei wird angenommen, dass Material und Geometrie sich linear verhalten.
Bei komplexen Aufgaben (z. B. großen Verformungen, Betonrissbildung oder Materialversagen) kommen nichtlineare Verfahren zum Einsatz, die reale Bedingungen besser abbilden.
FEM – Finite-Elemente-Methode
Bei komplexen oder unregelmäßigen Strukturen wird die Finite-Elemente-Methode (FEM) eingesetzt. Dabei wird das Tragwerk in viele kleine Einzelelemente unterteilt, die einzeln berechnet und dann zu einem Gesamtergebnis zusammengeführt werden. FEM erlaubt besonders präzise Spannungsanalysen und visuelle Darstellungen, ist aber rechenintensiv.
Je nach Bauteil, Lastfall und Genauigkeitsanforderung entscheidet der Statiker, welches Verfahren angewendet wird – im Wohnungsbau meist klassisch per Handrechnung oder Software, im Ingenieurbau zunehmend mit FEM.
Typische Bauteile & Berechnungsansätze
In der Tragwerksplanung werden Bauwerke in idealisierte statische Systeme zerlegt. Je nach Geometrie, Lagerung und Belastung lassen sich typische Bauteile mit bewährten Rechenmodellen analysieren.
Häufig berechnete Bauteile:
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Balken und Träger
Horizontale Bauteile zur Lastweiterleitung – z. B. Deckenbalken, Unterzüge, Stahlträger.
→ Wichtige Größen: Biegemoment, Querkraft, Durchbiegung -
Stützen und Pfeiler
Vertikale Lastträger – typischerweise belastet durch Normalkräfte und Knickgefahr
→ Nachweise: Längskraft, Knicklänge, Stabilität -
Platten und Decken
Flächige Bauteile – einachsig oder zweiachsig gespannt
→ Berechnung als Einfeld- oder Mehrfeldplatten, ggf. mit Durchstanznachweis -
Fundamente und Bodenplatten
Verteilen die Lasten auf den Baugrund
→ Berechnung mit Bettungsmodellen, Nachweise gegen Setzungen, Kippen und Grundbruch
Statische Systeme im Vergleich:
Systemtyp | Eigenschaften | Beispiel |
---|---|---|
Einfeldträger | Statisch bestimmt, einfache Lagerung | Deckenbalken im Wohnungsbau |
Mehrfeldträger | Lager an mehreren Punkten, z. T. statisch unbestimmt | Unterzüge in Bürogebäuden |
Kragarm | Einseitig eingespannt, Momentenbelastung | Balkonplatte, Auskragung |
Rahmen | Kombination aus Trägern und Stützen | Hallentragwerke, Portale |
Die Wahl des richtigen Rechenmodells ist entscheidend: Sie beeinflusst nicht nur die Genauigkeit der Ergebnisse, sondern auch die Materialeffizienz und Ausführungskosten.
Normen und Nachweise
Die Berechnung von Tragwerken erfolgt nicht willkürlich, sondern auf Grundlage verbindlicher technischer Regeln. In Deutschland und Europa gelten hierfür vor allem die Eurocodes – ergänzt durch nationale Anhänge und spezifische Richtlinien.
Relevante Normen für die Statik
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DIN EN 1990 (Eurocode 0):
Grundlagen der Tragwerksplanung – Sicherheitskonzept, Lastannahmen, Einwirkungsarten -
DIN EN 1991 (Eurocode 1):
Einwirkungen auf Tragwerke – z. B. Eigengewicht, Schnee, Wind, Verkehrslasten -
DIN EN 1992 bis 1996 (Eurocode 2–6):
Bemessung von Beton-, Stahl-, Holz-, Mauerwerks- und Verbundtragwerken -
DIN EN 1997 (Eurocode 7):
Geotechnik – Nachweise für Gründungen, Baugruben, Böschungen -
DIN EN 1998 (Eurocode 8):
Erdbebenbemessung (nur relevant in bestimmten Regionen)
Sicherheitskonzept: Teilsicherheitsbeiwerte
Die Eurocodes arbeiten mit sogenannten Teilsicherheitsbeiwerten, um Unsicherheiten in Lastannahmen und Materialeigenschaften auszugleichen. Das bedeutet konkret:
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Einwirkungen (z. B. Verkehrslast) werden mit Faktoren > 1,0 angesetzt
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Widerstände (z. B. Materialfestigkeit) werden mit Faktoren < 1,0 reduziert
Ziel ist ein bemessungsrelevanter Sicherheitsabstand zwischen Beanspruchung und Tragfähigkeit.
Arten statischer Nachweise
- Tragfähigkeitsnachweis
– Bauteil darf unter maximaler Last nicht versagen - Gebrauchstauglichkeitsnachweis
– Begrenzung von Verformungen, Rissen, Schwingungen - Stabilitätsnachweis
– z. B. bei Knicken, Beulen, Kippen (Stützen, Wände, Träger) - Nachweis im Brandfall
– Mindesttragfähigkeit bei Temperaturbeanspruchung (z. B. R 30, R 90)
Nur wenn alle erforderlichen Nachweise erbracht und dokumentiert sind, gilt ein Tragwerk als sicher und genehmigungsfähig. Diese Prüfpflicht liegt in Deutschland häufig auch bei einem externen Prüfstatiker.
Rolle der Statik im Planungsprozess
Die Statik ist ein zentraler Bestandteil jedes Bauprojekts – unabhängig von Größe, Nutzung oder Bauweise. Ohne statische Berechnung ist kein Bauwerk genehmigungsfähig, und ohne statische Planung keine sichere Ausführung möglich.
Einordnung in die Leistungsphasen
Im Rahmen der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) ist die Tragwerksplanung ein eigenständiger Leistungsbereich. Insbesondere folgende Phasen sind statisch relevant:
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Leistungsphase 4 – Genehmigungsplanung
→ Vorlage der statischen Berechnung für den Bauantrag -
Leistungsphase 5 – Ausführungsplanung
→ Erstellung von Bewehrungsplänen, Positionsplänen, Details -
Leistungsphase 6–8 – Vorbereitung & Überwachung
→ Mitwirkung bei Ausschreibung, Prüfung der Ausführung, baubegleitende Kontrolle
Zusammenarbeit mit anderen Planungsbeteiligten
Ein Statiker arbeitet eng mit:
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Architekten (Raumkonzept, Bauweise, Materialien)
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Bauphysikern (Schall-, Wärme-, Brandschutz)
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Baugrundgutachtern (Gründungsplanung)
-
Fachplanern (z. B. Haustechnik – wegen Lastdurchbrüchen)
Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit ist notwendig, damit Funktion, Sicherheit und Gestaltung aufeinander abgestimmt sind.
Bedeutung für Genehmigung & Ausführung
Die statische Berechnung ist Bestandteil der Baugenehmigungsunterlagen und unterliegt – je nach Bundesland – der Prüfpflicht durch einen unabhängigen Prüfstatiker.
Auf der Baustelle dienen statische Pläne als Grundlage für die Ausführung von Bewehrung, Schalung und Konstruktion – jede Abweichung kann statische Auswirkungen haben.
Ohne fundierte Tragwerksplanung wird kein Bauwerk genehmigt, gebaut oder abgenommen. Die Statik ist somit eine der tragenden Säulen der Bauplanung – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
Software & Digitalisierung in der Statik
Die klassische Handrechnung mit Lineal und Taschenrechner ist längst Vergangenheit. In der modernen Tragwerksplanung ist der Einsatz spezialisierter Statik-Software Standard – sowohl zur Effizienzsteigerung als auch zur Einhaltung komplexer Normvorgaben.
Gängige Programme in der Tragwerksplanung
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FRILO, Dlubal, RIB, mbAEC – Lösungen für Einzelnachweise (z. B. Träger, Stützen, Fundamente) bis zur 3D-Gesamtmodellierung
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AxisVM, SCIA Engineer, RFEM – FEM-basierte Tools für komplexe Ingenieurbauten
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Allplan, Revit, SOFiSTiK – CAD- und BIM-Systeme mit statischer Integration
Vorteile durch Digitalisierung
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Automatisierte Nachweise
Normgerechte Bemessung mit hinterlegten Sicherheitswerten (z. B. Eurocode, DIN) -
3D-Visualisierung & Schnittgrößen-Darstellung
Komplexe Tragwerke lassen sich visuell nachvollziehbar dokumentieren -
BIM-Schnittstellen
Tragwerksmodelle lassen sich nahtlos mit Architektur und Haustechnik verknüpfen -
Effizienz in der Kommunikation
Planungsänderungen, Lastannahmen oder Bewehrungsdetails werden zentral gepflegt
Praxis-Tipp für Bauträger
Besonders in der Abstimmung zwischen Statik, Planung und Ausführung lohnt sich der Einsatz integrierter Plattformen. AMADEUS von DATEX ermöglicht die zentrale Verwaltung aller statikrelevanten Pläne, Prüfvermerke und Änderungsstände – vom Entwurf bis zur Baustelle.
Das spart nicht nur Zeit, sondern schafft Transparenz für alle Projektbeteiligten.
Die Statik von heute ist digital, vernetzt – und in Zukunft zunehmend automatisiert. Software ersetzt das Fachwissen nicht, sie macht es präziser und effizienter.
FAQ zur Statik
Wann brauche ich eine statische Berechnung?
Sobald ein baulicher Eingriff tragende Elemente betrifft oder ein Neubau geplant ist. Auch bei Um- oder Anbauten (z. B. Durchbrüchen, Aufstockungen) ist eine statische Beurteilung Pflicht.
Wer darf eine statische Berechnung erstellen?
In Deutschland dürfen nur bauvorlageberechtigte Ingenieure oder Architekten mit entsprechender Qualifikation (z. B. Tragwerksplaner, geprüfter Statiker) die Berechnung durchführen.
Ist eine Statik auch für kleine Bauprojekte erforderlich?
Ja – selbst Carports, Gartenhäuser oder Terrassenüberdachungen benötigen je nach Bundesland eine statische Einschätzung. Eine sogenannte vereinfachte Statik reicht in vielen Fällen aus.
Was kostet eine statische Berechnung?
Die Kosten hängen vom Bauvorhaben ab und orientieren sich an der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure). Faustregel: ca. 1–2 % der Baukosten für Tragwerksplanung.
Wer haftet bei statischen Fehlern?
Die Haftung liegt beim planenden Tragwerksplaner bzw. dem prüfenden Statiker, sofern ein Fehler nachweisbar ist. Bei Ausführungsfehlern haftet hingegen das ausführende Bauunternehmen.
Gilt eine einmal erstellte Statik für immer?
Nur solange das Tragwerk nicht verändert wird. Schon kleine Umbauten (z. B. Wanddurchbruch) können die ursprüngliche Berechnung unwirksam machen – eine neue Prüfung ist erforderlich.