Verdingungsunterlagen bilden das Herzstück jedes Vergabeverfahrens im Bauwesen. Sie sorgen für Transparenz und Rechtssicherheit, indem sie alle relevanten Informationen – von Leistungsverzeichnissen über technische Beschreibungen bis zu Vertragsbedingungen – verbindlich festlegen. Nur auf dieser Grundlage können Bieter vergleichbare Angebote abgeben und der Auftraggeber eine fundierte Vergabeentscheidung treffen.

Im Unterschied zu reinen Planungsunterlagen enthalten Verdingungsunterlagen darüber hinaus alle rechtsverbindlichen Vorgaben zur Angebotsabgabe und Vertragsausführung. Das umfasst nicht nur Mengen- und Leistungsbeschreibungen, sondern auch Hinweise zu Fristen, Formvorschriften und Abweichungsmöglichkeiten. Fehler oder Lücken in diesen Dokumenten führen häufig zu Nachforderungen, Verzögerungen oder gar Vergaberechtsstreitigkeiten.

In diesem Lexikoneintrag erfahren Sie, was genau unter Verdingungsunterlagen zu verstehen ist, aus welchen Bestandteilen sie sich zusammensetzen, welche formalen und rechtlichen Anforderungen gelten und wie Sie in der Praxis präzise, rechtskonforme Ausschreibungsunterlagen erstellen. Am Ende beantworten wir die wichtigsten Fragen in einem kompakten FAQ.

Illustration zu Verdingungsunterlagen im Bauwesen: Projektleiter mit Bauhelm am Schreibtisch prüft Leistungsverzeichnis, technische Zeichnungen und Vertragsdokumente vor weißem Hintergrund

Was sind Verdingungsunterlagen?

Verdingungsunterlagen, oft auch als Ausschreibungsunterlagen bezeichnet, sind die Gesamtheit aller Dokumente, die einem Bauauftrag zugrunde liegen. Sie schaffen die Grundlage dafür, dass verschiedene Bieter vergleichbare Angebote abgeben können und der Auftraggeber eine transparente, rechtssichere Vergabeentscheidung treffen kann.

Typischerweise umfassen Verdingungsunterlagen:

  • Leistungsverzeichnis (LV):
    Detaillierte Aufschlüsselung von Mengen und Leistungen

  • Technische Beschreibung:
    Erläuterungen zu Ausführungsanforderungen, Materialien und Toleranzen

  • Vertragsbedingungen:
    Vorgaben nach VOB/B oder BGB mit Zahlungs-, Abnahme- und Mängelregelungen

  • Anlagen und Zeichnungen:
    Pläne, Skizzen sowie behördliche Genehmigungen oder Gutachten

Im Gegensatz zu reinen Planungsunterlagen legen Verdingungsunterlagen nicht nur den technischen Inhalt, sondern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen fest. Sie regeln beispielsweise, welche Abweichungen vom LV zulässig sind, welche Formvorschriften für Rechnungen gelten und wie Nachträge zu behandeln sind. Eine unvollständige oder fehlerhafte Zusammenstellung kann zu Nachforderungen, Vergabeverfahren oder Verzögerungen im Bauablauf führen.

Eine sorgfältig erstellte und abgestimmte Dokumentation aller Projektparameter ist daher unerlässlich, um den reibungslosen Ablauf einer Ausschreibung und die spätere Vertragsdurchführung sicherzustellen.

Bestandteile & Aufbau

Verdingungsunterlagen gliedern sich in mehrere zentrale Dokumentengruppen, die gemeinsam alle technischen und rechtlichen Vorgaben für die Ausschreibung eines Bauvorhabens enthalten:

  • Leistungsverzeichnis (LV)
    Hier werden alle im Projekt auszuführenden Leistungen und Mengen detailliert aufgeführt. Einheitspreise ermöglichen eine transparente Vergleichbarkeit der Angebote.

  • Technische Beschreibung
    Ergänzend zum LV erläutert sie Baustoffe, Ausführungsarten, Toleranzen und Qualitätsanforderungen. Sie gibt den Bietern genaue Hinweise, wie die beschriebenen Leistungen auszuführen sind.

  • Vertragsbedingungen
    Entweder nach VOB/B oder BGB strukturiert, regeln diese Bedingungen Fristen (z. B. Angebotseinreichung, Ausführungsbeginn), Abnahmeverfahren, Zahlungsmodalitäten und Mängelhaftung.

  • Pläne und Zeichnungen
    Genehmigungs-, Detail- und Bestandspläne visualisieren die Objektlage, Schnitte, Freiflächen und Einbauten. Maßstab und Legende müssen klar definiert sein, damit die Mengen- und Leistungsangaben zum LV passen.

  • Anlagen und Nachweise
    Sachverständigengutachten (z. B. Boden, Statik), behördliche Bescheide (Umwelt, Denkmalschutz) oder Prüfzertifikate ergänzen die technische und rechtliche Basis.

Der Aufbau folgt meist der DIN 1961 bzw. einer unternehmensinternen Gliederungsvorlage. Eine konsistente Struktur – mit durchlaufender Nummerierung, einheitlicher Tabellenformatierung und klaren Kapitelüberschriften – ist entscheidend, damit Bieter und Prüfer schnell alle relevanten Informationen finden.

Formale Anforderungen

Verdingungsunterlagen müssen nicht nur inhaltlich präzise, sondern auch formell einwandfrei gestaltet sein, damit sie rechtsgültig und für alle Bieter verständlich sind. Achten Sie dabei insbesondere auf folgende Punkte:

  • Einheitliche Gliederung
    Verwenden Sie eine klare Hierarchie von Kapiteln und Unterkapiteln (z. B. Kapitel 1: Leistungsbeschreibung, Kapitel 2: Vertragsbedingungen), um eine schnelle Orientierung zu ermöglichen.

  • Mengengerüst und Einheitspreise
    Das Leistungsverzeichnis sollte für jede Position eine genaue Mengenermittlung und einen dazugehörigen Einheitspreis aufweisen. Fehlende oder unklare Angaben führen zu unvergleichbaren Angeboten.

  • Fußnoten und Verweise
    Erläuterungen zu besonderen Ausführungsanforderungen gehören in Fußnoten oder separate Hinweise innerhalb der Positionstexte – niemals ins LV-Feld für Menge oder Preis.

  • Anlagenverzeichnis
    Führen Sie alle beigefügten Pläne, Gutachten und technischen Zeichnungen in einem gesonderten Verzeichnis auf, inklusive Dateinamen und Versionsdatum.

  • Sprache und Formatierung
    Vermeiden Sie Fachchinesisch: Verwenden Sie durchgängig die gleiche Terminologie. Nutzen Sie serifenlose Schriften (z. B. Arial, Calibri) in mindestens 11 pt und setzen Sie Tabellen mit klaren Überschriften.

  • Vertragsbedingungs-Referenz
    Geben Sie eindeutig an, ob der Auftrag nach VOB/B oder BGB abgewickelt wird, und verweisen Sie auf die jeweilige Fassung der Vergabeordnung.

  • Rügenfristen und Nachforderungshinweise
    Weisen Sie auf geltende Rügenfristen hin (z. B. sieben Tage nach Erhalt der Vergabeunterlagen) und erlauben Sie Bietern, fehlende Unterlagen innerhalb einer bestimmten Frist nachzufordern.

Eine fehlerfreie Form minimiert spätere Nachforderungen, verkürzt das Vergabeverfahren und sorgt dafür, dass alle Angebote auf derselben Basis stehen

Rechtliche Grundlagen

Verdingungsunterlagen sind eng eingebunden in das nationale und europäische Vergaberecht. Die wichtigsten Rechtsquellen:

  • VOB/A (Teil A der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen)
    Regelt das Verfahren der öffentlichen Ausschreibung und vergibt Mindestanforderungen an Form, Fristen und Verfahrenstypen (offenes Verfahren, nichtoffenes Verfahren, Verhandlungsverfahren).

  • GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen)
    Das deutsche Kartell- und Vergaberecht definiert Schwellenwerte, ab denen EU-weite Ausschreibungen erforderlich sind, und setzt Bußgeld­rahmen für Vergabeverstöße fest.

  • EU-Vergaberichtlinien (z. B. RL 2014/24/EU)
    Legen europaweit einheitliche Verfahren, Transparenzpflichten und Wettbewerbsregeln fest. In Deutschland umgesetzt durch die VgV (Vergabeverordnung) und UVgO (Unterschwellenvergabeordnung).

  • Rügen- und Nachforderungspflichten
    Bieter müssen fehlende Unterlagen oder Unklarheiten innerhalb einer bestimmten Frist (i.d.R. sieben Tage nach Erhalt) schriftlich rügen. Gleichzeitig sind Auftraggeber verpflichtet, fehlende Unterlagen nachzufordern, um die Vergleichbarkeit der Angebote sicherzustellen.

  • Schutz vor Vergabefehlern
    Fehlen formale oder inhaltliche Elemente, können Bieter unmittelbaren Nachteil geltend machen und ggfs. das Vergabeverfahren gerichtlich angreifen (Nachprüfungsverfahren).

Ein solides Verständnis dieser Vorschriften stellt sicher, dass Ihre Verdingungsunterlagen rechtssicher sind und der Vergabeprozess reibungslos ablaufen kann.

Praxis & Tipps zur Erstellung

Bei der Erstellung von Verdingungsunterlagen zahlt sich sorgfältiges Arbeiten doppelt aus: Sie vermeiden Nachforderungen, verkürzen das Vergabeverfahren und schaffen klare Verhältnisse für Bieter und Auftraggeber. Die folgenden Praxis-Tipps helfen Ihnen, typische Fallstricke zu umschiffen:

  • Frühzeitige Standardisierung
    Nutzen Sie erprobte Vorlagen für LV, technische Beschreibungen und Vertragsbedingungen. Legen Sie eine unternehmensweite Gliederung fest (z. B. nach DIN 1961), um Konsistenz und Wiedererkennbarkeit zu garantieren.

  • Interdisziplinäres Review
    Beziehen Sie Fachplaner, Kalkulatoren und Rechtskollegen in den Erstellungsprozess ein. Ein juristischer Blick auf die Vertragsklauseln und ein technischer Check der Leistungsverzeichnisse verhindern spätere Streitpunkte.

  • Mengenermittlung validieren
    Lassen Sie Mengen- und Flächenberechnungen von einer unabhängigen Stelle oder per Software (z. B. AMADEUS.X) überprüfen. Inkonsistenzen zwischen Plänen und LV-Positionen führen sonst zu ungenauen Angeboten.

  • Klare Sprache & Verweise
    Vermeiden Sie Fachchinesisch und verwenden Sie durchgängig definierte Begriffe. Verweisen Sie innerhalb des Dokuments klar auf Pläne, Anhänge und Normen (z. B. „siehe Plan A3_02, Detail B“), anstatt vage Formulierungen zu nutzen.

  • Versionierung und Änderungsprotokoll
    Arbeiten Sie mit eindeutig datierten Versionen und einem Änderungsindex: Wer hat was wann angepasst? So können Bieter und Prüfer jederzeit nachverfolgen, ob sie mit der aktuell gültigen Fassung arbeiten.

  • Transparente Rügen- und Nachforderungshinweise
    Verankern Sie einen Abschnitt „Hinweise für Bieter“, in dem Sie Fristen und Verfahren für Rügen und Nachforderungen präzise darlegen. Das minimiert das Risiko ungültiger Angebote und schützt Ihren Vergabeprozess.

  • Softwareunterstützung
    Setzen Sie auf integrierte Ausschreibungs- und Projektmanagement-Tools (z. B. AMADEUS.X), die LV-Erstellung, Mengenermittlung, Dokumentenversionierung und Fristenüberwachung in einer Plattform bündeln.

Mit diesen Best Practices stellen Sie sicher, dass Ihre Verdingungsunterlagen sowohl inhaltlich umfangreich als auch formal korrekt sind – und Sie Vergabeverfahren reibungslos und rechtssicher durchführen können.

Ausschreibungserfolg garantiert: Ihr Fazit & Handlungsempfehlung

Ein sorgfältig erstelltes Verdingungsverzeichnis ist mehr als nur Papier – es ist Ihr strategischer Schlüssel zu transparenten, wettbewerbsfähigen und rechtsicheren Vergaben. Mit klar strukturierten LV-Positionen, präzisen Vertragsbedingungen und einem durchdachten Rügen- und Nachforderungsprozess legen Sie die Grundlage für ein reibungsloses Bauprojekt.

  • Standardisierung spart Zeit: Nutzen Sie etablierte Vorlagen und eine einheitliche Gliederung, um Fehler und Rückfragen zu vermeiden.

  • Interdisziplinärer Prüfprozess: Binden Sie Planer, Kalkulatoren und Juristen frühzeitig ein, um technische und rechtliche Lücken zu schließen.

  • Digitale Unterstützung: Setzen Sie auf integrierte Tools wie AMADEUS.X, die LV-Erstellung, Mengenermittlung, Versionierung und Fristen-Tracking mühelos in einer Plattform vereinen.

Mit diesem Masterplan für Verdingungsunterlagen steigern Sie Ihre Effizienz, minimieren Vergaberisiken und verschaffen sich einen echten Wettbewerbsvorteil.
Tipp: Testen Sie AMADEUS.X für Ihre nächste Ausschreibung – und erleben Sie, wie einfach und verlässlich Ihr Vergabeprozess sein kann.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Verdingungsunterlagen

1. Was gehört zwingend in ein Leistungsverzeichnis (LV)?
Ein LV muss jede auszuführende Leistung klar beschreiben, die Menge (z. B. m², Stück), den Einheitspreis und gegebenenfalls Details zu Ausführungsart oder Qualität enthalten. Unklare oder fehlende Angaben führen zu unvergleichbaren Angeboten.

2. Welcher Unterschied besteht zwischen VOB/B- und BGB-Vergabeunterlagen?
Bei Anwendung der VOB/B gelten spezielle Regelungen zu Fristen, Abnahme und Mängelhaftung (§ 16 VOB/B). Im BGB-Vergabeverfahren greifen die allgemeinen Werkvertragsregeln (§§ 631 ff. BGB), z. B. längere Gewährleistungsfristen und keine Abkürzungsmöglichkeiten.

3. Wie lang ist die übliche Rügenfrist für Bieter?
Standardmäßig muss ein Bieter Unvollständigkeiten oder Fehler in den Verdingungsunterlagen innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt schriftlich rügen, damit der Auftraggeber etwaige Lücken nachfordern oder korrigieren kann.

4. Kann man Verdingungsunterlagen nachträglich ändern?
Ja, aber nur bis zum Ablauf der Angebotsfrist und unter Einhaltung der gleichen Rüge- und Nachforderungspflichten. Nachträgliche Änderungen müssen allen Bietern unverzüglich und in gleicher Form bekanntgegeben werden.

5. Welche Folgen hat eine unvollständige Angebotsabgabe?
Ergänzt ein Bieter sein Angebot nicht um alle geforderten Nachweise oder Leistungsverzeichnisse, kann sein Angebot als „nicht frist- oder formgerecht“ gelten und vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

6. Welche Software unterstützt die Erstellung von Verdingungsunterlagen?
Integrierte Projekt- und Ausschreibungstools wie AMADEUS.X bieten automatisierte Mengenermittlung, Versionierung, Rügen-Tracking und Textbausteine für LV, Beschreibungen und Vertragsbedingungen – ideal für fehlerfreie und effiziente Vergabeunterlagen.

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