Bei Baumängeln keine MwSt. Erstattung ohne Schadensbehebung

Der unter anderem für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof ändert Rechtsprechung zur Berechnung eines Schadensersatzanspruches wegen eines Baumangels

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat am 22.7.2010 den Umfang in dem Bauherren bei Baumängeln einen Anspruch auf Schadenersatz inklusive Mehrwertsteuer haben dahingehend eingeschränkt, dass die Mehrwertsteuer dem Bauherren nur dann gezahlt wird, wenn der Bauherr den oder die Schäden tatsächlich beheben lässt. Wird der Mangel nicht beseitigt, so steht dem Bauherren nur der Nettobetrag ohne Mehrwertsteuer zu. Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: bei dem Neubau eines Einfamilienhauses machte der Bauherr gegenüber dem Bauunternehmer Mängel in Höhe von über EUR 9.000 ohne Mehrwertsteuer geltend. Das Vorhandensein von Mängeln war unstrittig, da diese durch ein Gutachten bestätigt wurden. Der verantwortliche Bauunternehmer vertrat den Standpunkt, den strittigen Betrag, wenn keine Beseitigung des oder der Mängel durchgeführt würde, ohne Mehrwertsteuer zahlen zu können. Der Bauherr hingegen vertrat die Auffassung, ihm stünde – unabhängig von der Beseitigung der Mängel – der Betrag zzgl. der Mehrwertsteuer zu. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, das ein Bauherr über einen Schadenersatz frei verfügen kann, also das Geld auch für andere Zwecke verwenden kann. Dieser Grundsatz bleibt auch erhalten, allerdings urteilte der VII Senat so, dass bei nicht beseitigten Mängeln die Mehrwertsteuer nicht zur Zahlung fällig wird.

Nachfolgend die Pressemitteilung des Bundesgerichthofs vom 22.7.2010:


Der Beklagte errichtete im Auftrag der Kläger ein Einfamilienhaus. Es waren Mängel vorhanden, die der Beklagte trotz Aufforderung mit Fristsetzung nicht beseitigte. Für die Beseitigung der Mängel sind Aufwendungen in Höhe von 9.405,- € netto erforderlich. Die Parteien haben darüber gestritten, ob der Kläger als Schadensersatz, über den er frei verfügen kann und den er nicht zur Mängelbeseitigung verwenden muss, auch die Umsatzsteuer auf diesen Betrag verlangen kann, wenn er die Mängel noch nicht beseitigt hat.

Das Berufungsgericht hat dies bejaht. Der Bundesgerichtshof hat in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Umsatzsteuer auf voraussichtliche Mängelbeseitigungsaufwendungen als Schadensersatz nicht verlangt werden kann, solange der Mangel nicht tatsächlich beseitigt worden ist. Diese Entscheidung ist im Lichte der gesetzlichen Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB* ergangen, die zwar auf Schadensersatzansprüche im Werkvertragsrecht nicht anwendbar ist, jedoch eine gesetzliche Wertung für vergleichbare Fälle enthält.

Will der Auftraggeber den Bruttobetrag vor einer Mängelbeseitigung, so ist er im Werkvertragsrecht ausreichend dadurch geschützt, dass er einen auch die Umsatzsteuer umfassenden Vorschussanspruch gemäß § 637 Abs. 3 BGB** geltend machen kann, den er allerdings zur Mängelbeseitigung verwenden muss.

Urteil vom 22. Juli 2010 – VII ZR 176/09

LG München II – Urteil vom 20. April 2009 – 11 O 6481/08

OLG München – Urteil vom 29. September 2009 – 28 U 3123/09

*§ 249 BGB: Art und Umfang des Schadensersatzes

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

**§ 637 BGB: Selbstvornahme

……

(3) Der Besteller kann von dem Unternehmer für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen Vorschuss verlangen.

Quelle: 22.7.2010
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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